Rassist sein vs. rassistische Sozialisierung

Wir alle haben gelernt rassistisch zu sein. Das Erlernen von Rassismus passiert ganz von alleine. Weder du noch ich mussten dafür etwas tun. Es reicht das ganz normale Aufwachsen in unserer Gesellschaft. Aber warum ist das eigentlich so und bin ich deswegen jetzt ein Rassist?

Rassisten sind die auf Sylt, Rassisten sind oft die Anderen, Rassisten sind die echten Bösen, aber doch nicht ich. Diese einseitige Sichtweise auf Rassismus führt dazu, dass wir ein wichtiges Phänomen übersehen: den Alltagsrassismus. Alltagsrassismus ist der subtile Rassismus, der durch unsere rassistische Sozialisation entsteht. Durch unsere Prägung. Unsere Umgebung. Durch unsere Sprache. Durch Witze. Durch vermeintlich gut gemeinte Kommentare. Durch das, was wir in der Schule lernen. Durch das, was wir im Kindergarten lernen.

Wir alle haben die Fähigkeit, rassistisch zu denken. Und tun das. Alle.

In meiner Kinderheit fragte ich Schwarze Personen, warum ihre Haut schmutzig sei – nicht nur einmal und ob man dies abwaschen könnte. Es war nicht rassistisch, weil es verletzend ist, sondern es verletzte, weil es rassistisch war. Doch was genau ist nun an dieser Aussage rassistisch?

Zum einen assozierte ich ihre Hautfarbe mit Schmutz, was abwertend und falsch ist. Zum anderen impliziert es, dass weiße Haut sauber ist. Ich fragte diese Frage, weil ich weiße Menschen als die Norm ansah. Sie war eine Abweichung für mich. Und genau darin liegt der rassistische Kern der Sache: Durch mein Art zu denken, wurde sie benachteiligt – ganz klar, denn weiße Kinder fragte ich nie diese Frage. Sie hatten das Privileg, dieser Frage nicht ausgesetzt sein zu müssen.

Wir nehmen Vorurteile und Stereotypen in unser Denkmuster auf – oft  unbemerkt. Damit verletzen wir andere Menschen, damit habe auch ich Menschen verletzt, ausgeschlossen und benachteiligt – ohne es überhaupt zu wollen.

Wie tief meine eigene rassistische Sozialisierung sitzte, wurde mir erst vor anderthalb Jahren bewusst, als ich das Buch „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten“ von Alice Hasters las. Seitdem frage ich mich nicht mehr, ob ich rassistisch bin, sondern wann, wo und warum ich rassistisch denke oder handle. Ich hinterfrage mehr und mehr  mein eigenes Denken und wann ich unbewusste Vorurteile oder Stereotype übernehme.

Ich habe verstanden, dass mich ein rassistischer Gedanke allein mich nicht zu einem Rassisten und auch nicht zu einem schlechten Menschen macht. Aber ich erkenne, dass ich zu einem Rassist werden kann, wenn ich diese Gedanken zulasse, sie nicht hinterfrage und basierend auf ihnen Entscheidungen treffe.

Ich habe verstanden, dass ich etwas gegen meine eigene rassistische Sozialisierung tun kann. Bewusstmachung und Bildung sind  wichtige Schritte, um Vorurteile und Stereotypen, die ich gelernt und übernommen habe, abzubauen. Ich habe verstanden, dass der Kampf gegen die eigene rassistische Sozialisierung ein ewiger Lernprozess ist. Ich habe verstanden, dass ich antirassistisches Denken aktiv lernen muss.

Ich habe gelernt, dass die eigene rassistische Sozialisierung gesellschaftlich und historisch gewachsen ist. Das man aber auch neue Denkmuster erlenen kann. Das Problem ist, nichts dagegen zu tun, sich zurückzulehnen und zu sagen, „aber die anderen sind doch die Rassisten“. Denn eben jene Kommentare, Mikroaggresionen im Alltag und das reproduzieren von Stereotypen benachteiligen Menschen immer und immer wieder.

Last Updated on 15/02/2025 by Marie

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